Seit Anfang des Jahres 2015 liegt das Gutachten des Instituts für Raumforschung und Immobilienwirtschaft „Wohnungsmarkt- und Portfolio-Studie Bingen am Rhein“ vor. Wir begrüßen die Aufarbeitung der Fakten, können den Handlungsempfehlungen des Gutachtens jedoch nicht folgen.

Der Wohnungsmarkt in Bingen ist zunehmend angespannt. Wie das Gutachten festgestellt hat, gibt es eine starke Nachfrage nach Mietwohnungen zu bezahlbaren Preisen, die schon heute nicht erfüllt werden kann. Die Mietpreise steigen seit einigen Jahren in Bingen stark an. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Wie die Erfahrung zeigt, ist etwa die Suche nach einer 3-Zimmer-Mietwohnung zu einem bezahlbaren Preis in Bingen schon gegenwärtig mit größten Schwierigkeiten verbunden. Wir sehen die Stadt in der Pflicht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, diesem Trend entgegenzuwirken. Dies geht aber nur mit einem eigenen Wohnungsbestand.

11,5 Millionen Euro Sanierungsstau bei den städtischen Wohnungen sind eine schwere Hypothek für die Stadt Bingen. Diesen Sanierungsstau hat die Stadt sich aber selbst aufgebürdet. Obwohl die Notwendigkeit von Instandsetzungen offensichtlich ist, wurden die Mieteinnahmen zu oft dem Haushalt zugeführt, statt in den Erhalt zu investieren.

Zu dem Sanierungsstau kommen Mieten unter dem Mietspiegel, insbesondere bei Mietern, die finanziell in der Lage wären die regulären Mieten zu zahlen. Auch unter Berücksichtigung der sozialpolitischen Verpflichtungen der Stadt ist es nicht vertretbar, dass in etwa 70 % der städtischen Wohnungen eine Miete unterhalb des Mietspiegels eingenommen wird. Durch eine neue Mietstruktur können zusätzliche Mittel für die Instandhaltung der Wohnungen eingenommen werden. Das Mietniveau hat zudem einen Einfluss auf etwaige Verkaufserlöse.

Die bisherige Verknüpfung der Wohnungen mit dem Haushalt der Stadt halten wir für ungünstig, da so die Kosten und Ertragsstrukturen nur schwer zu erfassen sind. Eine eigene Gesellschaft könnte zudem anders am Markt agieren und viele Maßnahmen günstiger durchführen.

Ein Gutachten liegt der Stadt bereits vor, welches die wirtschaftliche und steuerliche Sinnhaftigkeit belegt (es fällt keine Grunderwerbsteuer bei der Übertragung der Wohnungen an). Auch der Personalbedarf ist bereits dargelegt. Die Stadt Bingen würde damit dem erfolgreichen Vorbild der Stadt Ingelheim (mit weit über 500 Wohnungen) mit ihrer eigenen Wohnungsbaugesellschaft folgen.

Wir sind der festen Überzeugung, dass ein gut verwalteter städtischer Wohnungsbestand für die Stadt Bingen leistbar ist. Das Problem ist nicht die Zahl der Wohnungen, sondern das Missmanagement der letzten Jahrzehnte.

In einer Phase der niedrigen Zinsen und hohen Gewerbesteuereinnahmen haben wir die Chance die Fehler der vergangenen Jahrzehnte zu korrigieren.

Antrag: 

Der Stadtrat der Stadt Bingen möge beschließen:

  1. Der Rat der Stadt Bingen bekennt sich zu seiner sozialen Verantwortung bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Insbesondere Wohnungen für Familien und barrierefreie Wohnungen werden dringend benötigt.
  2. Der hohe Sanierungsstau ist eine Folge des Missmanagements der letzten Jahrzehnte. Wir sind überzeugt, dass sich ein gut geführter Wohnungsbestand trägt.
  3. Der städtische Wohnungsbestand muss in der aktuellen Größenordnung erhalten bleiben.
  4. Soweit ein Verkauf und die Schaffung von Ersatz wirtschaftlich sinnvoller ist, können wir dem zustimmen. Entscheidend ist aber, dass unmittelbar Ersatz geschaffen wird und die Verkaufserlöse komplett in die Sanierung bzw. Schaffung städtischer Wohnungen fließt.
  5. Der Verkauf der Wohnungen beispielsweise im Naturbad, der Schule, der alten Synagoge, dem alten Rathaus oder der Touristik-Information ist nicht sinnvoll, da diese aus dem im städtischen Eigentum verbleibenden restlichen Gebäude herausgelöst werden müssten.
  6. Die bereits bestehende städtische Gesellschaft EGB GmbH & Co KG wird als Wohnungsbaugesellschaft fortgeführt und die vorhandenen städtischen Wohnungen in das Eigentum dieser Gesellschaft zu übertragen. Die Aufsichtsgremien müssen neu gestaltet werden, um eine engmaschige Kontrolle durch die gewählten Mitglieder des Stadtrats zu ermöglichen.
  7. In den städtischen Wohnungen wird eine abgestufte Miete eingeführt. Die zu zahlende Miete hängt zukünftig vom Familieneinkommen der Bewohner ab. Die Sozialmiete bildet das untere Ende, die ortsübliche Vergleichsmiete das obere. Alle bestehenden Mietverträge werden im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen im Laufe der kommenden Jahre angepasst.
    Die genaue Ausgestaltung der abgestuften Miete wird im Rahmen einer Satzung geregelt.
  8. In vielen Städten zeigt sich, dass ein sozial gemischtes Klientel im Viertel und auch in den einzelnen Mietshäusern dazu beiträgt, dass der soziale Zusammenhalt ausgeprägter ist und Gebäude sowie Außenanlagen weniger von Vandalismus betroffen sind. Daher soll über abgestufte Mieten und unterschiedlichen Sanierungsstandards für eine solche Durchmischung gesorgt werden.
  9. Sowohl bei der Sanierung städtischer Objekte sowie beim Neubau von Wohnungen sollen die Erdgeschoßwohnungen, soweit technisch machbar, barrierefrei und altengerecht ausgebaut werden.
  10. Wenn es der städtischen Wohnbaugesellschaft in Zukunft gelingt, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen und dabei Gewinne zu erwirtschaften, ist es Ziel, den städtischen Wohnungsbestand auszubauen.